Obwohl Endometriose die zweithäufigste gynäkologische Erkrankung in Deutschland ist, wird sie oft erst nach Jahren entdeckt. Und ist sie dann endlich diagnostiziert, folgt die lange Suche nach der passenden Behandlung. Ein schmerzhafter, ermüdender Weg, der für viele Betroffene auch durch die große Unwissenheit ihrer Mitmenschen zur Tortur wird.
Das „Chamäleon der Gynäkologie“
Endometriose ist eine chronisch verlaufende Erkrankung, bei der Gebärmutterschleimhaut-ähnliches Gewebe außerhalb der Gebärmutter wächst. Endometriose-Gewebe kann sich zum Beispiel an den Eierstöcken, im Bauchraum oder am Darm ansiedeln. In einigen Fällen sogar außerhalb des Bauchraums wie etwa in der Lunge. Die sogenannten Endometrioseherde unterliegen, ebenso wie die Schleimhaut innerhalb der Gebärmutter, dem weiblichen Zyklus. Sie wachsen zunächst unter dem Einfluss von Östrogen, um dann während der Periode abzubluten. Infolgedessen leidet etwa die Hälfte der Betroffenen unter starken Schmerzen – insbesondere, aber nicht nur während der Periode – sowie unter zahlreichen weiteren Symptomen. Da sich die Erkrankung dabei sehr unterschiedlich äußern kann, wird sie auch manchmal als „Chamäleon der Gynäkologie“ bezeichnet.
Endometriose: vielfältige Symptome
Wenngleich sich eine Endometriose meist im Unterbauch abspielt, kann sie im ganzen Körper Schmerzen verursachen. Zu den oft beschriebenen Beschwerden und Begleiterscheinungen gehören:
- Starke, meist krampfartige Schmerzen im Unterbauch
- Zwischenblutungen und starke Monatsblutung
- Schmerzen am Rücken
- Schmerzen beim Geschlechtsverkehr
- Schmerzen beim Toilettengang
- Übelkeit und Erbrechen
- Blähungen, Durchfall, Verstopfung
- Ungewollte Kinderlosigkeit
Unsichtbar, aber existent!
Ein großes Problem von betroffenen Frauen ist, dass ihre Beschwerden oftmals nicht ernst genommen werden – selbst von manchen Fachleuten nicht. Einige Ärztinnen und Ärzte werden nicht müde, ihren Patientinnen einzureden, dass Periodenschmerzen normal seien und sie sich damit abfinden müssen. Und so mancher Arbeitgeber rollt mit den Augen (bestenfalls – oder er kündigt früher oder später das Arbeitsverhältnis), wenn die Betroffene jeden Monat aufs Neue ausfällt. Denn für die Mehrheit unserer Gesellschaft ist Endometriose immer noch kein Thema, es ist einfach nicht existent. Vermutlich, weil die Erkrankung von außen nicht sichtbar ist. Der tägliche Kampf findet schließlich im Verborgenen statt, im Körper der Betroffenen, und richtet dort schlimmen Schaden an.
Wir geben Betroffenen eine Stimme
Interview mit Frauke Sander (47), Endometriose-Patientin
Hallo Frauke, seit wann weißt du, dass du Endometriose hast?
Seitdem ich 18 Jahre alt war, litt ich jeden Monat aufs Neue unter unglaublich starken Periodenschmerzen. Es war so schlimm, dass mich mein Freund regelmäßig ins Krankenhaus brachte, weil ich es anders nicht mehr aushielt. Ich bekam schmerzlindernde, krampflösende Tropfen und wurde irgendwann auf die Pille eingestellt, aber das half alles mehr schlecht als recht. Sie haben mich auch mehrfach operiert und mir Pampelmusen-große „Verwachsungen“ an den Eierstöcken und am Darm entfernt. Von Endometriose war lange überhaupt keine Rede. Die Diagnose habe ich erst Jahre später erhalten, da war ich 28.
Wie ging es dann weiter für dich?
Ich hatte etwa alle vier Jahre eine Endometriose-OP, bei der immer wieder neben Endometrioseherden auch Myome entfernt wurden. Das sind gutartige Muskelwucherungen rund um die Gebärmutter. Trotzdem kehrten die Unterbauchschmerzen nach wenigen Wochen oder bestenfalls Monaten wieder. Und dann war da ja auch der Kinderwunsch, der mit den Jahren immer größer wurde …
Endometriose und Kinderwunsch – in vielen Fällen kein einfaches Thema. Möchtest du uns erzählen, wie das bei dir war?
Obwohl ich mehrfach operiert wurde, kam es immer wieder zu neuen Verwachsungen und Verklebungen, auch an der Gebärmutter und an den Eileitern, weshalb ich nicht auf natürlichem Weg schwanger wurde. Mein Mann und ich haben uns deshalb 2013 entschieden, in ein spezialisiertes Endometriose- und Kinderwunschzentrum zu gehen. Leider blieben auch die insgesamt fünf künstlichen Befruchtungen ohne Erfolg. Nach all den Jahren voller Enttäuschungen und emotionaler Downs haben wir uns dann irgendwann mit dem Gedanken abfinden müssen, kinderlos zu bleiben. Nachdem das für uns klar war, entschied ich mich relativ bald für eine Gebärmutterentfernung.
Inwieweit hat sich dein Leben nach der Gebärmutterentfernung verändert?
Zum Glück hat sich einiges geändert! Bei der OP wurde meine Gebärmutter vollständig entfernt, die Eierstöcke konnten aber erhalten bleiben. Das ist gut so, denn sonst wäre ich unmittelbar in die Wechseljahre gekommen. Die Schmerzen sind anschließend deutlich weniger geworden. Komplett beschwerdefrei bin ich trotzdem nicht, aber zumindest habe ich jetzt ein ganzes Stück mehr Lebensqualität gewonnen. Und dafür bin ich dankbar.
FAQ zum Thema Endometriose
Wie wird eine Endometriose-Diagnose gestellt?
Im Schnitt vergehen siebeneinhalb lange Jahre, bis betroffene Frauen die Diagnose Endometriose erhalten. Zuvor bekommen viele von ihnen Fehldiagnosen, zum Beispiel: „Entzündungen der Eierstöcke“. Das liegt daran, dass Endometriose eine sehr vielgestaltige Erkrankung ist mit unterschiedlich starken Beschwerden und unterschiedlicher Organbeteiligung. Um eine sichere Diagnose zu stellen, erfolgen in der Regel neben einer ausführlichen Anamnese auch eine Tastuntersuchung und ein Ultraschall sowie gegebenenfalls weitere bildgebende Verfahren. Meist wird die Diagnose mittels eines operativen Eingriffs (Bauchspiegelung), bei der eine Gewebeprobe (Biopsie) entnommen wird, gesichert.
Wie funktioniert der Endometriose-Speicheltest?
Bei Endometriose-Speicheltests wird eine Speichelprobe der Patientin auf bestimmte Genmarker und Proteine untersucht. Diese kommen bei Endometriose in erhöhten Konzentrationen vor und lassen sich mittels Tests nachweisen. Der Vorteil dieser Produkte liegt dabei in der verhältnismäßig schnellen Diagnosezeit von circa vier Wochen. Doch sie stehen auch immer wieder in der Kritik, zum Beispiel wegen einer zu dünnen Datenlage oder zu hoher Kosten.
Wie sieht eine Endometriose-Behandlung aus?
Bei einer Endometriose ist die Rezidivrate, also die Rückfallrate, sehr hoch. Das heißt, nach einer Endometriose-OP entstehen oft neue Entzündungsherde. Trotzdem gibt es eine Reihe von Therapiemöglichkeiten, die betroffene Frauen zur Linderung der Beschwerden in Anspruch nehmen können. Es gibt grundsätzlich zwei Behandlungswege: die medikamentöse Therapie (Schmerzmittel, Hormone) und die operative Therapie (Bauchspiegelung). Daneben gibt es auch viele komplementäre Therapiemöglichkeiten, zum Beispiel Yoga oder traditionelle chinesische Medizin (TCM).
Kann man mit Endometriose schwanger werden?
Frauen mit Endometriose haben es im Vergleich zu gesunden Frauen häufig schwerer, schwanger zu werden. Die Fruchtbarkeit (Fertilität) ist bei der Erkrankung um circa 50 Prozent reduziert – wobei das Risiko auch vom Schweregrad der Erkrankung abhängt. Der häufigste Grund für unerfüllten Kinderwunsch bei Endometriose ist ein durch Vernarbungen und Verwachsungen nicht frei zugänglicher Eileiter. Betroffenen Frauen wird dann häufig zu einer Operation geraten, bei der Verwachsungen gelöst und Endometriose-Herde entfernt werden können. Dies erhöht die Chancen auf eine Schwangerschaft. Bleibt diese trotzdem aus, kann über eine künstliche Befruchtung nachgedacht werden.
Kann man nach einer Endometriose-OP schwanger werden?
Bei einer Bauchspiegelung können Verklebungen gelöst und Endometriose-Herde entfernt werden. Das erhöht die Chancen, schwanger zu werden.